Rezensionen: Wuhan, Chip War, Die wichtigste Insel der Welt
Posted on Mi 24 Juli 2024 in Blog
Inhalt:
Wuhan
Wuhan von Liao Yiwu wird vom Verlag und seinem Titelbild als Dokumentarroman bezeichnet. Die Beschreibung des Buches auf der Website des Verlages lautet:
In diesem bestürzend aktuellen Dokumentarroman »Wuhan« führt uns Liao Yiwu in das Herz der ungelösten Fragen und erzählt die spannende Recherche der Hintergründe einer gewaltigen Vertuschung. Woher stammt das Virus und was geschah in Wuhan? Protokolle verschwinden, und neue Lügen zementieren die Geschichte vom heroischen Sieg der Partei – Propaganda, die die Menschen vergiftet wie das Virus.
Das Buch setzt auf die Verknüpfung von realen Ereignissen mit fiktiven Personen und deren Geschichten. Eine zentrale Frage ist, ob das Corona-Virus in einem P4-Labor oder auf dem Wildtiermarkt in Wuhan seinen Ursprung hat. Das versucht das Buch mit Andeutungen zu klären.
In Summe sind viele Teile der Geschichte eine (gefühlsmäßige) lose Anordnung an Ereignissen und es ist schwierig konzentriert das Buch durchzulesen. Alles in allem würde ich das Buch eher nicht weiterempfehlen.
Chip War
Chip War von Chris Miller ist ein Buch, das versucht die Geschichte der Mikrochips nachzuzeichnen.
Einer der spannendsten Punkte im ganzen Buch ist, wie ähnlich die Argumente beim Aufstieg von Japan waren, wie es auch heutzutage bei China der Fall ist.
Auch damals wurde gab es einen Trade War
, um den Aufstieg des Herausforderers, in dem Fall Japan zu verhindern.
Aber auch der geschützte Heimmarkt für japanische Firmen hat sehr große Ähnlichkeiten mit dem Aufstieg von China.
Zusätzlich darf man auch die Anschuldigungen, Japan würde das geistige Eigentum der amerikanischen Firmen stehlen, nicht vergessen, um ein vergleichbares Bild der Argumente hinsichtlich China zu haben.
Es war jedenfalls sehr interessant zu lesen, wie der Aufstieg Japans dazu geführt hat, dass mit Micron nur mehr eine US-Firma im DRAM-Bereich übrig geblieben ist. Und das nicht im Silcon Valley, sondern in Boise Idaho. Intel hat Anfang der 1980er Jahre erkannt, dass man preislich mit japanischen Firmen im DRAM-Bereich mithalten kann und den Fokus auf Microprozessoren gelegt. Obwohl IBM den ersten PC herausgebracht hat, hat der Start von Compaq mit Intel-Chips und Microsoft so etwas wie den Startschuss für die Dominanz von Intel im PC-Bereich bedeutet.
Aber es wird auch sehr spannend nachgezeichnet, wie Intel aufgrund einiger Fehlentscheidungen den Anschluss verloren hat. So wurde beispielsweise das Potenzial des iPhones falsch eingeschätzt (Seite 196):
Otellini, Intel's CEO from 2005 to 2013, admitted he turned down the contract to build iPhone chips because he worried about the financial implications. [...] The company's leaders were simply more focused on engineering the company's balance sheet than its transistors.
Wie herausfordernd es ist, am cutting edge
der Produktionsprozesse zu bleiben, wird im Buch aufgezeigt.
Man sieht wie nach der Reihe GF, Intel und Samsung Probleme bekommen haben, mit TSMC mitzuhalten.
Und es aktuell mehr oder minder nur mehr TSMC gibt, die es auch schaffen, stabile Produktionsprozesse zu liefern.
Ein Aufholen des Rückstands ist nicht so einfach, wie man an der aktuellen Berichterstattung um aktuelle Intel-Chips sieht (siehe: Massive Chip-Probleme bei Intel: So schlimm ist die Situation wirklich).
Auch wenn das Buch nur am Rande mit Philips zu tun hat, ist es interessant zu sehen, wie zwei sehr wichtige Unternehmen im Microchip-Bereich Starthilfe von Philips bekommen haben: TSMC und ASML
However, Chang convinced Philips, the Dutch semiconductor company, to put up $58 million, transfer its production technology, and license intellectual property in exchange for 27.5 percent stake in TSMC.
Wie auf Seite 167 beschrieben, war Philips damit maßgeblich an der Gründung von TSMC beteiligt und auf Seite 185 kurz die Entstehung von ASML erwähnt:
In 1984, Philips, the Dutch electronics firm, had spun out its internal lithography division, creating ASML.
Was umso ironischer ist, da es sich bei Philips heute nicht mehr um einen Hightech-Konzern handelt: The Death of Europe's Last Electronics Giant.
Die Dominanz von ASML hat sich, neben der Tatsache, dass sich nicht alles in-house gefertigt haben, sondern sich auf das Erwerben der besten Komponenten fokussiert haben, auch dadurch ergeben, dass die beiden größten Konkurrenten mit Nikon und Canon japanische Hersteller waren.
Dadurch hat sich Micron aufgrund des Trade Wars
mit Japan sich der niederländischen Firma zugewendet hat.
Und die gemeinsame Philips-Beziehung hat zu einer Beziehung von ASML und TSMC geführt.
Alles in allem ein sehr spannendes und aufschlussreiches Buch, das dann auch erklärt, warum manche Dinge heute so sind, wie sie sind.
Die wichtigste Insel der Welt
Klaus Bardenhagen, bekannt auch durch seinen Podcast Taiwancast, hat ein Buch über Taiwan geschrieben. Er zeichnet in diesem Buch über mehrere Kapitel ein abwechslungsreiches Bild der Vergangenheit und Gegenwart.
Das umfasst auch wechselnden Kolonialmächte und deren Herrscher. Klaus Bardenhagen zeigt auf, dass in der japanischen Kolonialherrschaft die Modernisierung der Industrie begonnen hat und dadurch war die wirtschaftliche Entwicklung Taiwan vor dem Zweiten Weltkrieg weiter als in China. So führte die Landung der Chinesen 1945 offenbar zu chaotische Zuständen (S. 83):
Taiwan wurde behandelt wie erobertes Feindesland, das es nun gründlich auszuplündern galt. Die einfachen Soldaten schnappten sich, was nicht niet- und nagelfest war. Eine beliebte Anekdote schildert, wie ungebildet sie waren: Erbeutete Fahrräder trugen sie weg, statt darauf zu fahren, weil sie nichts damit anzufangen wussten.
Ein großer Teil des Buches umfasst verständlicherweise die komplizierten Beziehungen zur Volksrepublik China.
Naturgemäß wird auch TSMC Platz im Buch eingeräumt und die Zahlen, die im Buch präsentiert werden, sind durchaus beeindruckend (S. 155)
TSMC machte 2022 mehr als 34 Milliarden US-Dollar Gewinn bei 76 Milliarden Umsatz und mit 73 000 Mitarbeitern, fast alle in Taiwan. Es erwirtschaftet im Alleingang mehr als sieben Prozent von Taiwans Bruttoinlandsprodukt. Weil TSMC seine Ingenieure gut entlohnen muss, um sie zu halten, und kontinuierlich Dividenden ausschüttet, trugen seine Mitarbeiter und Anteilseigner 2021 mehr als elf Prozent des landesweiten Einkommensteueraufkommens.
Das Buch widmet auch den negativen Aspekten von Taiwan ein Kapitel, wo dann beispielsweise auch der fragwürdige Umgang mit Arbeiter:innen aus anderen Ländern Asiens thematisiert wird.
Sehr positiv finde ich in jedem Kapitel am Ende den Punkt "Warum es wichtig ist", wo nochmals die wichtigsten Punkte des Kapitels zusammengefasst werden.
Alles in allem handelt es sich um ein sehr interessantes Buch, wo ich auch gerade aus historischer Perspektive sehr viele neues gelernt habe.
Zum Abschluss gibt es noch ein paar Impressionen aus dem Jahr 2018, die nicht mit dem Buch selbst zu tun haben, aber zumindest von meiner Taiwanreise stammen ;-)