Quo vadis?

Posted on So 02 März 2025 in Blog

Wohin führt der Weg von Europa? Seit Jahren gibt es Leute, die über die Abhängigkeit Europas im digitalen Bereich geschrieben haben. In einer globalen Wirtschaftsordnung mit einem gemeinsamen Rechtsrahmen, ist es durchaus sinnvoll sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und andere Leistungen zuzukaufen. Abhängigkeit wird dann zu einem großen Problem, wenn man der anderen Seite nicht mehr trauen kann.

Das war jahrelang, trotz nicht unbedingt vertrauensbildender Maßnahmen, beispielsweise dem Abhören von europäischen Spitzenpolitikern, durchaus gegeben. Man hat sich zusammen mit den USA als Verfechter der Demokratie gesehen.

Vielen meinen, diese Zeiten sind nun vorbei und einer Trump-Administration kann man nicht (mehr) trauen. Zu einer richtigen Zäsur hat der Eklat beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Weißen Haus geführt (Der Eklat im Weißen Haus im Video). Es gibt Leute, die scherzen an diesem Tag sind sämtliche Transatlantiker arbeitslos geworden, da es in den USA keine Freunde mehr gibt.

Aber schon auch davor wurde Europa gedroht. Die Tagesschau nannte den Auftritt des amerikanischen Vizepräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine beispiellose Abrechnung mit Europa. Auch gegen die Regulierung durch den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA) geht man auf Seiten der Trump-Administration vor: Trump droht mit Zöllen gegen EU-Regulierung von Big Tech.

Ein weiteres Indiz des Abrückens der USA von Europa ist ein Befehl des neuen Verteidigungsministers der USA:

Jetzt ist es der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, der mit einer Anordnung auffällt, die Moskau sicherlich höchst erfreuen dürfte: Das Cyber Command muss sämtliche Operationen gegen Russland einstellen.

[...]

Die digitalen Streitkräfte der USA bekämpfen aber auch Cyberangriffe Russlands gegen zivile Einrichtungen wie Banken oder Krankenhäuser. Die neue Stillhalteanordnung könnte dazu führen, dass derartige zivile Stellen nun einem größeren Risiko durch Moskaus Hackertruppen ausgesetzt sind, weil ihnen der US-Justizminister freie Bahn gewährt hat, was insbesondere für Europa ein großes Risiko darstellt, sind doch Behörden und Regierungen seit Monaten in den Fokus kremlnaher Hacker gerückt.

Wie Heise unter Berufung auf das US-Digitalmagazin Wired berichtet, dürfte die Trump-Administration Russland nicht mehr als Bedrohung einstufen.

Jetzt sollte man sich in den europäischen Verwaltungen und Firmen langsam wirklich die Frage stellen, wie sinnvoll es ist amerikanische Cloud-Dienste weiterhin ausgiebig zu nutzen und sich einem Partner auszuliefern, der offensichtlich nicht mehr nach den gemeinsamen Regeln spielen will?

Wäre es nicht sinnvoll von europäischer Seite ein wenig auf digitale Resilienz zu setzen? Eine totale Resilienz ist in einer vernetzten Welt sowieso utopisch, aber sollte man nicht schauen, dass wichtige Kernfunktionen on-premises oder bei einem europäischen Cloud-Betreiber liegen?

Bert Hubert gilt ja schon länger als ein Mahner und hat erst kürzlich wieder einen Beitrag dazu verfasst: It is no longer safe to move our governments and societies to US clouds.

Man hat jedenfalls Aufholbedarf in Europa und sollte sich jetzt sehr schnell überlgen, ob man als Kolonie fungieren will, die sich dem Diktat eines erratischen Mannes im Weißen Haus unterwirft oder ob man nicht versuchen sollte, den technolgischen Rückstand ein wenig aufzuholen?

Initiativen wie IRIS² sind ein guter Anfang. Die Verwaltungen auf europäischer und nationalstaatlicher Ebene könnten ein Treiber für Innovation sein, indem sie mit einem guten Beispiel vorangehen und in europäische Lösungen investieren.

Die Frage bleibt trotzdem, wie man es schafft schnell eine Resilienz aufzubauen und sich in angemessener Geschwindigkeit von einem Partner, dem man nicht mehr trauen kann, zu emanzipieren? Oder wird man den einfacheren, aber aus meiner Sicht gefährlicheren Weg gehen und weiterhin sehr stark auf die Dienste eines toxischen Partners setzen?

Beide Wege werden nicht schmerzfrei beschritten werden können, aber nur einer kann die zukünftige Resilienz stärken.